Eine Million Euro ...

Die Sprache ist bekanntlich zentraler Bestandteil einer Kultur.
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Klaus
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Eine Million Euro ...

Beitrag von Klaus »

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Sebastian
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Re: Eine Million Euro ...

Beitrag von Sebastian »

Das stimmt ja so nicht ganz, Klaus - zumindest im Prinzip soll ja mit diesem Geld Deutsch als Muttersprache unterrichtet werden.
Klar ist in Rumänien nicht immer alles Gold, was glänzt.
Als ich zur Schule ging, war es so: in Klausenburg / Cluj gab es zu jener Zeit kaum noch Deutsche, da im Laufe des 2. Weltkrieges Nordsiebenbürgen an´s Reich angeschlossen wurde und beim Rückzug der Wehrmacht aus Rumänien zugleich die Mehrzahl der Siebenbürger Sachsen aus Nordsiebenbürgen das Land verließ. Wir Sachsen waren also in den 60-ern bis 80 -ern eine verschwindend geringe Minderheit in Klausenburg, dass überhaupt "deutsche" Klassen möglich waren, obwohl es je Klasse nur 1-2 Siebenbürger Sachsen und evtl. 1-2 mit einem Elternteil oder Großelternteil das deutschsprachig war, ergänzt durch Rumänen oder Ungarn, die gerne ihren Kindern auf diesem Wege eine Fremdsprache beibringen wollten... Vermutlich wird das inzwischen in fast ganz Siebenbürgen ebenso sein, dass es in den ehemals deutschen Städten noch vereinzelt wirklich deutsche Muttersprachler pro Klasse gibt und dass die Klassen aufgefüllt werden, damit das Modell der deutsch - Muttersprachler - Schulen gewahrt und finanziert werden kann. Oder kennt sich jemand mit den Heute realen Verhältnissen aus und kann mich ergänzen oder korrigieren??
Klaus
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Re: Eine Million Euro ...

Beitrag von Klaus »

Dabei muss ich wieder an Monika denken, Sebastian! - Monika war für mich der Inbegriff einer bodenständigen Siebenbürger Sächsin und eine Bekannte/Freundin von Livia. Als ich sie fragte warum sie nicht weggegangen ist, hat sie geantwortet: "Mein Mann ist Rumäne". Danach war mir klar: das Deutschtum in Rumänien besteht aus wenigen "Beharrern", mehrheitlich besteht es aber wohl aus Mischehen.
sven
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Re: Eine Million Euro ...

Beitrag von sven »

Sebastian hat geschrieben: Mi 1. Nov 2023, 22:30 Als ich zur Schule ging, war es so: in Klausenburg / Cluj gab es zu jener Zeit kaum noch Deutsche, da im Laufe des 2. Weltkrieges Nordsiebenbürgen an´s Reich angeschlossen wurde und beim Rückzug der Wehrmacht aus Rumänien zugleich die Mehrzahl der Siebenbürger Sachsen aus Nordsiebenbürgen das Land verließ.
Hallo Sebastian,
hier muss ich einmal korrigieren: Nordsiebenbürgen wurde Ungarn angeschlossen/eingegliedert und nicht an das Deutsche Reich angeschlossen. Du schreibst richtig, dass die Deutschen fliehen mussten / wollten.Die Dobrutscha / Bessarabien-Deutschen wurden noch "heim ins Reich geholt".
Grüße
Sven
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Sebastian
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Re: Eine Million Euro ...

Beitrag von Sebastian »

Danke, da hast Du völlig recht, da habe ich den Sachverhalt zu sehr vereinfacht. Es war im Laufe des 2. Weltkriegs dazu gekommen, dass Ungarn Druck auf Hitler ausübte, um Siebenbürgen wiederzubekommen. Da er aber auch Rumänien nicht als Verbündeten verlieren wollte, teilte er einfach Siebenbürgen und beließ den Süden bei Rumänien, überließ aber Nordsiebenbürgen den Ungarn. Da Rumänien kurz vor Kriegsende noch auf die Seite der Alliierten überwechselte, traf dies wohl de facto auch für Südsiebenbürgen zu, hingegen die deutschstämmigen aus Nordsiebenbürgen konnten leicht mit der abziehenden Wehrmacht gemeinsam "heim in´s Reich" fliehen, viele von ihnen blieben dann in Österreich, andere zogen bis nach Deutschland weiter. Damit begann der Exodus der seit etwa 700 Jahren in Siebenbürgen wohnenden "Siebenbürger Sachsen". Die nächste Schwächung dieser Gemeinschaft geschah, als die Russen von Rumänien Reparationen verlangten in Form von jungen Menschen, die helfen sollten, Russland wieder aufzubauen. Rumänien schob dabei die Schuld den verbliebenen Siebenbürger Sachsen in die Schuhe, es wurden also fast ausschließlich Siebenbürger Sachsen (und vermutlich ebenso Banater Schwaben und Dobrudscha - Deutsche) nach Russland geschickt. Manche von ihnen starben bei diesem Einsatz, als sie nach etwa 3 Jahren wieder entlassen wurden, hieß es oft: deutscher - also ab in die DDR - und wieder verließ eine Gruppe die jahrhundertelange Heimat. Andere - unter ihnen auch meine Mutter - wurden wieder nach Rumänien zurückgeschickt. Bis 1989 gelang es nur wenigen Sachsen und Banater Schwaben nach Deutschland auszuwandern, aber der Exodus ging langsam auch in diesen Jahren weiter, um dann als sich 89/ 90 die Grenzen öffneten die meisten deutschstämmigen aus Rumänien zu erfassen.

sven
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Re: Eine Million Euro ...

Beitrag von sven »

Ja, die Flucht der Siebenbürger Sachsen aus Nordsiebenbürgen war der Auftakt einer Jahrzehnte anhaltenden Migrationsbewegung der Deutschen aus Rumänien.
Die Umstände der Deportation der Deutschen in die Sowjetunion möchte ich aber etwas zurechtrücken:
Auf Anordnung des sowjetischen Volkskommissars des Inneren (NKWD), Lawrenti Beria, erfolgte schon im November 1944 eine erste Bestandsaufnahme der deutschen Bevölkerung in Osteuropa. Ziel war es, Arbeitskräfte zu erfassen. Am 15.12.1944 wurde der Bericht an Stalin und Molotow vorgelegt. In Rumänien lebten demnach 421.846 Deutsche.
Grundlage der Deportation war dann der am 16.12.1944 von Stalin unterzeichnete geheime Befehl 7161 ss. Anschließend wurden die rumänischen Polizeiinspektoren und der rumänische Ministerpräsident über die bevorstehenden Deportationen informiert. Die rumänische Polizei musste den Befehl ausführen. Am 10.1.1945 begannen die Aushebungen.
Die rumänische Regierung hat am 13.1.1945 einen schriftlichen Protest an General Winogradow versandt, in dem sie auf die verheerenden Auswirkungen der Deportationen auf die Industrie und Landwirtschaft Rumäniens hingewiesen hat. Außerdem habe man als Regierung "über die Interessen aller ihrer Untertanen zu wachen, ungeachtet ihrer ethnischen Herkunft." (zitiert nach Marc Schroeder: Order 7161, 2021, S. 223)

Das genannte Buch ist übrigens sehr empfehlenswert. Marc Schroeder hat vor ca. 10 Jahren Zeitzeugen der Deportation in Rumänien besucht und mit ihnen gesprochen. Dabei hat er auch Fotos gemacht. Das Buch vereint die Interviews und die Fotos mit einer wiss. Einordnung des Themas. Das ist sehr gelungen. leider ist das Buch z.Zt. vergriffen.
https://kwerfeldein.de/2021/10/04/marc-schroeder/
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Sebastian
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Re: Eine Million Euro ...

Beitrag von Sebastian »

Danke für diese Zeilen, Sven - das ist für mich ein komplett neuer Aspekt, da ich nur die Aussage meiner Eltern kannte - die ich hier wiedergegeben habe. So hatten sich wohl die meisten Sachsen den Zusammenhang - dass fast ausschließlich Deutsche verschleppt wurden - erklärt, nehme ich an.

Andererseits unterstützt eine andere Erinnerung die ich von meiner Großmutter väterlicherseits hörte den genannten Ablauf, den Sven beschreibt. Als die Russen zu ihrem Haus in Bukarest kamen, waren sie durch rumänische Freunde vorgewarnt worden. Alle jüngeren Familienmitglieder hatten sich bei Rumänen versteckt, die Urgroßmutter öffnete den jungen russischen Soldaten die Tür. Diese wollten wissen, wo die jungen Leute sich aufhielten und bedrohten die Urgroßmutter mit vorgehaltenem Gewehr. Diese sagte ihnen seelenruhig, sie könnten sie ruhig erschießen, sie würde ihnen kein Sterbenswörtchen sagen. Zum Glück verzichteten sie darauf, sie zu erschießen und verließen das Haus schließlich unverrichteter Dinge.
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