der Läufer = nebunul = der Narr

[Sebastian]

Ich habe fast den Eindruck gewonnen, dass bei mir die Erinnerung an die Ceauşescu - Zeit lebendiger ist, als bei vielen meiner gleichaltrigen Freunde aus Rumänien. Ob es daran liegen mag, dass wir als in Rumänien lebende Nicht - Rumänen es besonders leicht hatten, uns innerlich von der heimischen Parteipropaganda abzunabeln? Ob es daran lag, dass ich später bei meinen Besuchen in den 70 - ern und 80 - ern immer wieder in diese bizarre Lügen - Welt eintauchen und wieder aus ihr auftauchen musste? Ob es daran liegt, dass ich letztlich nicht so lange unter diesem Regime leiden musste, wie meine zurückgebliebenen Freunde?
Jedenfalls ist es so, dass ich viel eher derjenige bin, der in der Runde meiner Freunde in Rumänien mal auf diese Zeiten zurückblickt, etwa indem ich einige Witze aus jener Zeit zum Besten gebe...

Ich will mit einer doppelt gemoppelten Geschichte beginnen, die ich gerne in Deutschland als Einleitung bei einem Diavortrag über Rumänien erzählte, um die Gefahren der securitate im rumänischen Alltag von damals zu verdeutlichen.
Im Sommer ´73, wenige Monate vor unserer Ausreise nach Deutschland machte ich mit meinem Cousin und einem befreundeten Nachbarsjungen eine Wanderung über den Kamm der Südkarpaten. Wir stiegen in der Nähe von Hermannstadt auf, wanderten über den Negoi, besahen uns den Bâlea -See...
In der Nähe des Negoi auf über 2500 m Höhe trafen wir 2 Studenten und gingen längere Zeit mit ihnen zusammen weiter. Bei einer Rast plauderten wir und kamen irgendwann auf Witze. Einer von uns 15 - 16 - Jährigen begann den (politischen) Witz:


"wer ist die größte Schachspielerin der Welt?" daraufhin grinste einer der Studenten von einem Ohr zum anderen und mein Cousin sagte: "willst Du ihn weitererzählen?"
Der Student: " Nein, nein! Ich kenne ihn zwar, aber ich will weiter - studieren".

Daraufhin erzählte mein Cousin den Witz zu Ende: "Leana Ceauşescu - sie führt ihren Läufer (**) durch aller Herrn Länder.



** Teekesselchen: Läufer heißt auf rumänisch "nebun", was aber gleichbedeutend ist mit Narr. Die Anspielung bezog sich auf die emsige Reisepolitik der Familie Ceauşescu durch die ganze Welt. Im Volke gab es die Meinung, Nicolae Ceauşescu sei ja ein gutwilliger Herrscher, der aber von seiner herrschsüchtigen Leana wie ein Bär am Nasenring durch die Manege geführt werde, und dass das Schlimme in seiner Politik eigentlich von ihm stamme.

[Sebastian]

Einmal, als ich diesen Witz jemand aus der ehemaligen DDR erzählte, erfuhr ich, dass er in der DDR tupfengleich mit Honecker erzählt wurde

Ceauşescu war mit seinem Chauffeur auf einer Reise über die Dörfer. Mitten in einem Dorf sprang plötzlich ein Hahn über die Straße und wurde von dem Wagen überfahren.
Als die Bauern erfuhren, wer den schönen Hahn auf dem gewissen hatte, nahm ihr Zorn nicht etwa ab. nein, sie verfluchten die Beiden und wollten auf sie losgehen. Nur ein schneller Start rettete sie vor der Wut der Bauern. Ceauşescu sagte als sie weit genug fort waren: jetzt fahr aber bloß vorsichtig, damit uns so etwas nicht wieder passiert. Im nächsten Dorf fuhren sie besonders langsam und vorsichtig. Trotzdem, an einer unübersichtlichen Ecke sprang plötzlich ein Schwein vor den Wagen und der Chauffeur konnte nicht schnell genug bremsen.... Ceauşescu versprach dem verdatterten Fahrer alles mögliche bis hin zu einer stattlichen Gehaltserhöhung, wenn er sich alleine in´s Haus der Bauern begeben würde. Schließlich machte sich der Fahrer auf und klopfte an. Es dauerte lange und er kam nicht wieder. Als nach geraumer Zeit Ceauşescu vor Angst schlotternd schon zu Fuß das Weite suchen wollte, kam der Fahrer zurück - fröhlich und schwankend, mit einer Schweinelende unter dem Arm und einer Tuica - Flasche in der Hand. Nachdem sie losgefahren waren, fragte Ceauşescu ihn: was ist denn geschehen, ich dachte, sie hätten dich bestimmt schon totgeschlagen und wollte gerade zu Fuß fortlaufen....

"Aber nein, ich habe einfach gesagt: Ich bin der Fahrer von Ceauşescu - ich hab´das Schwein totgefahren! Da haben sie mir zu Essen und zu Trinken gebracht und wollten mich gar nicht mehr gehen lassen...Und zuletzt haben sie mir noch Geschenke mitgegeben..."

[Sternschrauber62]

Diesen Witz gibt es sogar mit Kanzler Schröder

[Sebastian]

Tja, da kann man wohl nur sagen, die Loyalität der Untertanen ist allüberall nicht so groß, wie es die Herrschenden hoffen. Und die Urheberschaft dürfte in diesem Fall sonnenklar sein! 1973 war der Witz in Osteuropa über die Grenzen hinaus wohlbekannt. Schröder bekleidete sein Amt mehr als 20 Jahre später...

[Sternschrauber62]

Das"serbische" Volk hat den Tito so sehr geliebt dass es aus der ganzen Welt immer wieder heimgekommen ist.
Ceausescu hat sein Volk so sehr geliebt dass er es gar nicht erst hat gehen lassen ........